Hispaniola
Im Dezember 1492 landete Kolumbus auf Hispaniola, der Insel auf der heute Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Die einheimische Urbevölkerung Taino und Ciboney wurde durch Seuchen, Gewalt und Zwangsarbeit innerhalb von 100 Jahren ausgerottet. Ab dem 16.Jh bauten die Spanier auf der Insel Zuckerrohr an und verschleppten Afrikaner als Arbeitssklaven (bzw. ließen verschleppen). Im 17. Jahrhundert setzten sich auf der Hispaniola nördlich vorgelagerten Île de la Tortue englische, französische und niederländische Piraten und Freibeuter fest. Französische Hugenotten siedelten im Nordwesten der Hauptinsel. Im Frieden von Rijswijk 1697 trat Spanien die Westhälfte Hispaniolas - als Saint Domingue - an Frankreich ab.
Saint Domingue vor der Revolution
Frankreich führte eine wirtschaftlich äußerst erfolgreiche Plantagenwirtshaft ein. 1789 stammten knapp die Hälfte des in Europa konsumierten Zuckers und Kaffees aus Saint Domingue. In Zuckerraffinerien produzierte Saint Domingue frühindustriell.
Den Preis dafür hatten schwarze Sklaven zu zahlen, deren Arbeitskraft auf den Plantagen grausam ausgenutzt wurde und denen für kleinste "Vergehen" brutale Strafen drohten. Die Lebenserwartung der Sklaven war gering, daher wurden jährlich Zehntausende von Afrikanern nach Saint Domingue verschleppt. Etwa jeder Dritte überlebte die Überfahrt nicht oder starb kurz nach der Ankunft auf der Insel.
Wenig verwunderlich, dass unter diesen Umständen viele Sklaven in die schwer zugänglichen Berge floh. Als "Maroons" lebten sie dort in Gemeinschaften und unterstützten oft Aufstände auf den Plantagen (François Mackandal, z.B.).
Neben weißen Plantagenbesitzern, Maroons und Sklaven gab es Mulatten, also Menschen mit weißen und schwarzen Vorfahren, und freie Schwarze auf der Insel. Diese Gruppe war zwar einerseits frei, andererseits genossen sie nicht die gleichen Rechte wie freie Weiße, bspw. mußten sie Weiße als "Madame" und "Monsieur" anreden. Dennoch waren sie wirtschaftlich häufig erfolgreich, weil sie oft selbst Sklaven hielten und Plantagen besaßen.
1788 lebten etwa 400.000 schwarze Sklaven, 27.000 Weiße und 22.000 Mulatten in Saint Domingue.
Saint Domingue 1789-94
Die Französische Nationalversammlung verabschiedete am 26.8.1789 die Erklärung der Menschen und Bürgerrechte. Dies weckte zunächst Hoffnungen bei freien Schwarzen und Mulatten. Vincent Ogé vertrat ihre Rechte in Paris. Im Mai 1791 verabschiedete die Nationalversammlung ein Gesetz, das ihre Rechte verbesserte. Die überwiegend royalistischen Weißen auf Saint Domingue ignorierten dies. Es kam zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Mulatten und Weißen im Norden.
Ab August 1791 gab es große Sklavenaufstände, bei denen die ehemaligen "Herren", die Wut der Unterdrückten grausam zu spüren bekamen. Die Plantagen brannten. Wer von den einst Privilegierten konnte, flüchtete in die Städte, wo es dann zu Gewalt zwischen Mulatten und Weißen kam. Der Regierungskommissar Léger-Félicité Sonthonax traf 1792 aus Frankreich mit 6.000 Soldaten ein. Sonthonax setzte gegen den Willen der Weißen ein neues Gesetz der Nationalversammlung durch, das allen freien Einwohnern in französischen Kolonien die gleichen Rechte zusprach. Die Schwarzen geführt von Toussaint Louverture, kämpften nun gegen Weiße, Mulatten und Sonthonax Soldaten. Als nach der Hinrichtung Ludwig XVI. 1793 Spanien in den Koalitionskrieg gegen Frankreich eintrat, verbündete Louverture sich mit der Kolonialmacht des Nachbarlandes. Dadurch konnte er drei Städte einnehmen. Daraufhin verbündeten sich die Weißen mit England, das sich mit Frankreich im Krieg befand.
1794 reiste eine Gruppe von Mulatten und Schwarzen nach Frankreich, die vor der Nationalversammlung sprachen. Diese beschloß daraufhin die Abschaffung der Sklaverei. Louverture brach sein Bündnis mit Spanien und kämpfte nun mit Frankreich gegen Spanien, England und die Royalisten auf Saint Domingue.
Saint Domingue 1795-1804
Die Armee ehemaliger Sklaven besiegte spanische und englische Truppen, die auf Haiti gelandet waren. Louverture, nun Gouvernor von Saint Domingue, festigte sein Macht: Der ehemalige Gouvernor Laveaux wurde als Gesandter nach Paris geschickt, Sonthonax 1797 deportiert. Als Napoleon 1799 eine Verfassung verabschiedete, die die Abschaffung der Sklaverei de facto aufhob, antwortete Louverture mit einer eigenen Verfassung. In ihr war die Sklaverei zwar "auf immer" abgeschafft, aber es herrschte eine Arbeitspflicht und "Schollenzwang", um die niederliegende Plantagenwirtschaft wiederzubeleben. Dies empfanden viele Schwarze als Rückkehr zur Sklaverei, die Regelungen wurden auch militärisch (oder besser gewaltsam) durchgesetzt. Nach Paris schrieb der nun selbsternannte Gouverneur auf Lebenszeit Louverture, um die Ordnung wiederherzustellen, habe Saint Domingue jetzt eine Verfassung, ohne jedoch den Text der Verfassung mitzuteilen.
Einen Bürgerkrieg gegen André Rigaud hatte Louverture vorher gewonnen; 1801 den ehemals spanischen Ostteil der Insel besetzt. (1795 im Frieden von Basel von Spanien an Frankreich abgetreten, die es Saint Domingue anschlossen, jedoch nur de jure Kolonialmacht dort waren).
1802 schickte Napoleon 6.000 Mann, um seine Macht auf Haiti durchzusetzen. Nach 3 Monaten musste Louverture kapitulieren. Er wurde später gefangen genommen und starb 1803 in einem Verlies im französischen Jura an den Haftbedingungen.
Dennoch schafften es die Franzosen nicht, die ganze Insel zu kontrollieren. Das tropische Klima und Krankheiten kostete vielen das Leben. Ende 1803 kam es zu einem Gefecht, das die Franzosen verloren und sich aus dem Westteil der Insel zurückzogen.
1804 verkündete Jean-Jeaques Dessalines die Unabhängigkeit Haitis und proklamierte sich zum Kaiser.
Epilog
Haiti, in der indianischen Ureinwohnersprache Taino angeblich "bergiges Land" - woher man das 1804 noch wusste, frage ich mich.
Empereur Jacques regierte noch bis 1806. Haiti war danach mehrmals mit dem Ostteil der Insel vereint und zerfiel auch selbst mehrmals in verschiedene Teile. (hier ein grober Überblick, der Post ist eh schon zu lang) Frankreich erkannte Haitis Unabhängigkeit 1825 gegen eine "Entschädigung" von 150 Mio Franc an. 1838 verringerte man die Schuldenlast auf 60 Mio Franc. Die letzte Rate zahlte Haiti 1947.
Quellen (leider keine sonderlich wissenschaftlichen - bessere herzlich willkommen):
- Tante wiki: "Geschichte Haitis" "Haitianische Revolution"
- eine arte-doku, die man unter "Haiti 1791" auf einschlägigen Videokanälen findet
- Haiti - Die "erste schwarze Republik" und ihr koloniales Erbe | bpb
- The Louverture Projekt (englisch, eine sehr detailreiche und ambitionierte Seite, aber mit einem starken Schwerpunkt auf "oral history" und einem für meinen Geschmack manchmal etwas "schwülstigen Stil")
OT: Eigentlich gehört Haiti ja nicht zu Lateinamerika. Aber ich dachte hier ist das Thema besser zuhause als im USA/Kanada-Forum.:winke:
Im Dezember 1492 landete Kolumbus auf Hispaniola, der Insel auf der heute Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Die einheimische Urbevölkerung Taino und Ciboney wurde durch Seuchen, Gewalt und Zwangsarbeit innerhalb von 100 Jahren ausgerottet. Ab dem 16.Jh bauten die Spanier auf der Insel Zuckerrohr an und verschleppten Afrikaner als Arbeitssklaven (bzw. ließen verschleppen). Im 17. Jahrhundert setzten sich auf der Hispaniola nördlich vorgelagerten Île de la Tortue englische, französische und niederländische Piraten und Freibeuter fest. Französische Hugenotten siedelten im Nordwesten der Hauptinsel. Im Frieden von Rijswijk 1697 trat Spanien die Westhälfte Hispaniolas - als Saint Domingue - an Frankreich ab.
Saint Domingue vor der Revolution
Frankreich führte eine wirtschaftlich äußerst erfolgreiche Plantagenwirtshaft ein. 1789 stammten knapp die Hälfte des in Europa konsumierten Zuckers und Kaffees aus Saint Domingue. In Zuckerraffinerien produzierte Saint Domingue frühindustriell.
Den Preis dafür hatten schwarze Sklaven zu zahlen, deren Arbeitskraft auf den Plantagen grausam ausgenutzt wurde und denen für kleinste "Vergehen" brutale Strafen drohten. Die Lebenserwartung der Sklaven war gering, daher wurden jährlich Zehntausende von Afrikanern nach Saint Domingue verschleppt. Etwa jeder Dritte überlebte die Überfahrt nicht oder starb kurz nach der Ankunft auf der Insel.
Wenig verwunderlich, dass unter diesen Umständen viele Sklaven in die schwer zugänglichen Berge floh. Als "Maroons" lebten sie dort in Gemeinschaften und unterstützten oft Aufstände auf den Plantagen (François Mackandal, z.B.).
Neben weißen Plantagenbesitzern, Maroons und Sklaven gab es Mulatten, also Menschen mit weißen und schwarzen Vorfahren, und freie Schwarze auf der Insel. Diese Gruppe war zwar einerseits frei, andererseits genossen sie nicht die gleichen Rechte wie freie Weiße, bspw. mußten sie Weiße als "Madame" und "Monsieur" anreden. Dennoch waren sie wirtschaftlich häufig erfolgreich, weil sie oft selbst Sklaven hielten und Plantagen besaßen.
1788 lebten etwa 400.000 schwarze Sklaven, 27.000 Weiße und 22.000 Mulatten in Saint Domingue.
Saint Domingue 1789-94
Die Französische Nationalversammlung verabschiedete am 26.8.1789 die Erklärung der Menschen und Bürgerrechte. Dies weckte zunächst Hoffnungen bei freien Schwarzen und Mulatten. Vincent Ogé vertrat ihre Rechte in Paris. Im Mai 1791 verabschiedete die Nationalversammlung ein Gesetz, das ihre Rechte verbesserte. Die überwiegend royalistischen Weißen auf Saint Domingue ignorierten dies. Es kam zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Mulatten und Weißen im Norden.
Ab August 1791 gab es große Sklavenaufstände, bei denen die ehemaligen "Herren", die Wut der Unterdrückten grausam zu spüren bekamen. Die Plantagen brannten. Wer von den einst Privilegierten konnte, flüchtete in die Städte, wo es dann zu Gewalt zwischen Mulatten und Weißen kam. Der Regierungskommissar Léger-Félicité Sonthonax traf 1792 aus Frankreich mit 6.000 Soldaten ein. Sonthonax setzte gegen den Willen der Weißen ein neues Gesetz der Nationalversammlung durch, das allen freien Einwohnern in französischen Kolonien die gleichen Rechte zusprach. Die Schwarzen geführt von Toussaint Louverture, kämpften nun gegen Weiße, Mulatten und Sonthonax Soldaten. Als nach der Hinrichtung Ludwig XVI. 1793 Spanien in den Koalitionskrieg gegen Frankreich eintrat, verbündete Louverture sich mit der Kolonialmacht des Nachbarlandes. Dadurch konnte er drei Städte einnehmen. Daraufhin verbündeten sich die Weißen mit England, das sich mit Frankreich im Krieg befand.
1794 reiste eine Gruppe von Mulatten und Schwarzen nach Frankreich, die vor der Nationalversammlung sprachen. Diese beschloß daraufhin die Abschaffung der Sklaverei. Louverture brach sein Bündnis mit Spanien und kämpfte nun mit Frankreich gegen Spanien, England und die Royalisten auf Saint Domingue.
Saint Domingue 1795-1804
Die Armee ehemaliger Sklaven besiegte spanische und englische Truppen, die auf Haiti gelandet waren. Louverture, nun Gouvernor von Saint Domingue, festigte sein Macht: Der ehemalige Gouvernor Laveaux wurde als Gesandter nach Paris geschickt, Sonthonax 1797 deportiert. Als Napoleon 1799 eine Verfassung verabschiedete, die die Abschaffung der Sklaverei de facto aufhob, antwortete Louverture mit einer eigenen Verfassung. In ihr war die Sklaverei zwar "auf immer" abgeschafft, aber es herrschte eine Arbeitspflicht und "Schollenzwang", um die niederliegende Plantagenwirtschaft wiederzubeleben. Dies empfanden viele Schwarze als Rückkehr zur Sklaverei, die Regelungen wurden auch militärisch (oder besser gewaltsam) durchgesetzt. Nach Paris schrieb der nun selbsternannte Gouverneur auf Lebenszeit Louverture, um die Ordnung wiederherzustellen, habe Saint Domingue jetzt eine Verfassung, ohne jedoch den Text der Verfassung mitzuteilen.
Einen Bürgerkrieg gegen André Rigaud hatte Louverture vorher gewonnen; 1801 den ehemals spanischen Ostteil der Insel besetzt. (1795 im Frieden von Basel von Spanien an Frankreich abgetreten, die es Saint Domingue anschlossen, jedoch nur de jure Kolonialmacht dort waren).
1802 schickte Napoleon 6.000 Mann, um seine Macht auf Haiti durchzusetzen. Nach 3 Monaten musste Louverture kapitulieren. Er wurde später gefangen genommen und starb 1803 in einem Verlies im französischen Jura an den Haftbedingungen.
Dennoch schafften es die Franzosen nicht, die ganze Insel zu kontrollieren. Das tropische Klima und Krankheiten kostete vielen das Leben. Ende 1803 kam es zu einem Gefecht, das die Franzosen verloren und sich aus dem Westteil der Insel zurückzogen.
1804 verkündete Jean-Jeaques Dessalines die Unabhängigkeit Haitis und proklamierte sich zum Kaiser.
Epilog
Haiti, in der indianischen Ureinwohnersprache Taino angeblich "bergiges Land" - woher man das 1804 noch wusste, frage ich mich.
Empereur Jacques regierte noch bis 1806. Haiti war danach mehrmals mit dem Ostteil der Insel vereint und zerfiel auch selbst mehrmals in verschiedene Teile. (hier ein grober Überblick, der Post ist eh schon zu lang) Frankreich erkannte Haitis Unabhängigkeit 1825 gegen eine "Entschädigung" von 150 Mio Franc an. 1838 verringerte man die Schuldenlast auf 60 Mio Franc. Die letzte Rate zahlte Haiti 1947.
Quellen (leider keine sonderlich wissenschaftlichen - bessere herzlich willkommen):
- Tante wiki: "Geschichte Haitis" "Haitianische Revolution"
- eine arte-doku, die man unter "Haiti 1791" auf einschlägigen Videokanälen findet
- Haiti - Die "erste schwarze Republik" und ihr koloniales Erbe | bpb
- The Louverture Projekt (englisch, eine sehr detailreiche und ambitionierte Seite, aber mit einem starken Schwerpunkt auf "oral history" und einem für meinen Geschmack manchmal etwas "schwülstigen Stil")
OT: Eigentlich gehört Haiti ja nicht zu Lateinamerika. Aber ich dachte hier ist das Thema besser zuhause als im USA/Kanada-Forum.:winke:
Saint Domingue und die Haitianische Revolution