Liegt in der Türkei am "bauchigen Berg" eine Wurzel der menschlichen Schrift? Archäologen glauben, dass die Steinzeitmenschen sich dort einige der ersten symbolischen Nachrichten hinterließen. Die frühen Graffiti konnten vieles ausdrücken. Zum Beispiel: "Ich war hier."
Von Hubert Filser
Auf den ersten Blick beeindrucken am meisten die wilden Tiere. Schlangen, Füchse, Löwen, Wildschweine und Kraniche bewegen sich über die riesigen Kalksteinfelsen von Göbekli Tepe. Sogar ein jagender Hund ist zu sehen, der erste Bildbeleg für ein gezähmtes Tier in der Geschichte der Menschheit. Es sind Reliefs von großer künstlerischer Qualität, die sich in den 20 gewaltigen Steinkreisen des uralten Kultortes finden. Doch von noch größerer Bedeutung sind die Symbole und Zeichen, die neolithische Steinmetze mit ihren Feuersteinmeißeln aus dem ansonsten geglätteten Stein herausgearbeitet haben: ein Kreis mit einem sichelförmigen Mond, ein C, ein gestürztes H und etwas, das wie der stilisierte Schädel eines Auerochsen wirkt. Es sind die Zeichen einer Revolution, die hier vor 12 000 Jahren stattgefunden hat - auf einem unscheinbaren Berg in der Osttürkei, nahe der heutigen Großstadt Şanlıurfa. Es könnte sein, dass sich hier auch der Ursprung der Schrift befindet.
So zumindest lautet die These, die der Ägyptologe und Schriftexperte Ludwig Morenz von der Universität Bonn in einem soeben erschienenen Buch vertritt ("Medienevolution und die Gewinnung neuer Denkräume. Das frühneolithische Zeichensystem und seine Folgen", EB-Verlag, Berlin, 294 S., 58 Euro). "Das Höhenheiligtum ist so etwas wie das fehlende Bindeglied zwischen Bildern und den ersten Schriftzeichen", sagt Morenz. "Diese frühe Form der Bildzeichen ist mehr als doppelt so alt wie die ältesten Schriftzeichen der Altägypter." Er vermutet, dass diese Symbole zu einer kulturellen Revolution im Denken der Menschen geführt haben.
Göbekli Tepe: Olympia der Steinzeit und die Entwicklung der Schrift
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