vendredi 3 octobre 2014

Ohne Pass in die DDR



50 Jahre ist es her, dass Martin Luther King das geteilte Berlin besuchte. Über die Grenze gelangte er auf ungewöhnliche Weise. In Kirchen sprach er zu den Ost-Berlinern. Von Andreas Conrad




Keine Chance in der Marienkirche. Schon lange bevor Martin Luther King dort in Berlin-Mitte, damals noch Teil der DDR, predigen soll, am Abend des 13. September 1964, ist das Gotteshaus völlig überfüllt. Aber plötzlich heißt es, der Bürgerrechtler aus den Vereinigten Staaten werde danach noch einmal in der Sophienkirche sprechen. Also eilen der 15-jährige Hans-Joachim Kolpin und sein Freund in die Große Hamburger Straße, finden tatsächlich zwei freie Plätze, direkt unter der Kanzel. Erleben mit, wie King erneut zu "my dear Christian friends of East Berlin" spricht und Grüße überbringt von "your Christian brothers and sisters of West-Berlin" sowie von den Christen seiner Heimat.



Eine sehr emotional, gestenreich vorgetragene Predigt. Auf Englisch, das verstehen sie nicht, und es gibt zwar einen Übersetzer, aber der trägt alles ganz emotionslos vor. Trotzdem hört Kolpin gebannt zu, ist es ein beeindruckendes Erlebnis auch unabhängig von der Botschaft. Allein dass der berühmte Schwarze privat Ost-Berlin besucht hat! Schwarze? Gibt es in Ost-Berlin doch gar nicht.



Nach der Predigt geht das Gedränge erneut los, alle wollen dem Besucher die Hand schütteln, ein Autogramm bekommen, auch Hans-Joachim und sein Freund. In der Kirche aussichtslos. Also raus, die Stichstraße runter bis zum Tor, und als der Wagen, ein schwarzer Mercedes, heranrollt, stellen sie sich einfach davor. Kess, aber erfolgreich: Martin Luther King kurbelt sein Fenster herunter, steigt sogar aus, und jeder der beiden bekommt sein Autogramm, samt Händedruck zum Abschied. Für King gibt es sogar noch einen symbolischen "roten Teppich": das Taschentuch, das Kolpins Freund spontan hervorzieht und vor dem Auto ausbreitet, in dem der amüsierte, vielleicht auch gerührte Bürgerrechtler davonrollt.





Ohne Pass in die DDR

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