Anfang des 8. Jahrhunderts sehen sich die Menschen des Abendlands von einer Gefahr bedroht: Reiterheere aus dem Morgenland überrennen in kaum zwei Jahren ganz Spanien und das Grenzgebiet zum Frankenreich, die Pyrenäen. Mit Feuer und Schwert wollen die moslemischen Glaubenskämpfer den Islam in die Welt tragen. Die fränkischen Herrscher schicken eine militärische Elite in den Krieg, die Europas Kultur prägen wird: die Ritter.
Es ist kein gewöhnlicher Feldzug, der die Verteidiger Westeuropas auf breiter Front in Bedrängnis bringt. Es ist ein "Dschihad", ein "Heiliger Feldzug" moslemischer Araber, die als hochmotivierte Glaubenskämpfer den Islam verbreiten wollen. Doch den flinken Blitzangriffen dieser berittenen Bogenschützen aus dem Süden sind die langsamen Fußtruppen des Frankenreichs in keiner Weise gewachsen.
Neue Kriegsführung
Die fränkischen Herrscher begreifen schnell den Ernst der Lage - und reagieren auf die lebensgefährliche Herausforderung mit einer genialen Erfindung: mit der Entwicklung einer neuen Waffengattung, den "Fränkischen Panzerreitern". Deren Rüstung schützt wirkungsvoll gegen die tödlichen Pfeile der Angreifer, und auf ihren Pferden entdecken auch die Franken alle Möglichkeiten blitzschneller Kriegsführung.
Der militärische Geniestreich markiert die Geburtsstunde einer neuen Elite, durch die Europas Kultur über Jahrhunderte hinweg nachhaltig geprägt wurde und deren legendärer "Way of life" tatsächlich noch bis in die heutige Zeit ausstrahlt.
Gefahr fürs eigene Land
Doch bevor die berittenen Kämpfer im 11. Jahrhundert zu Vorbildern vieler nachfolgender Generationen werden sollten, entpuppten sich die neuen Soldaten in Friedenszeiten erst einmal als Gefahr für das eigene Land: Brutal und einzelkämpferisch sind diese frühen Reiter - und zumeist durch Treueschwur an lokale Lehnsherrn gebunden, die sich in ihrer Machtgier und Streitlust kaum von der schwächelnden Zentralmacht des Kaisers einschränken lassen.
Sobald die außenpolitische Gefahr gemeistert ist, werden die frühen Ritter zur marodierenden Bedrohung für die eigene Bevölkerung und zum Auslöser manch blutiger Fehde unter Dutzenden von konkurrierenden Adelsgeschlechtern. Zeitgenössische Berichte beklagen die völlige Verwilderung der fränkischen Haudegen im 10. Jahrhundert: Non militia, sed malitia - nicht Soldaten sind sie, sondern eine Seuche.
Kämpfer für Gerechtigkeit
In dieser Situation geschieht das geradezu Unfassbare: Aus brutalen Kriegern werden plötzlich edelmütige Kulturträger und selbstlose Streiter für Gerechtigkeit und Glauben. Diese überraschende Wendung ist vor allem auf den massiven Einfluss der christlichen Mönche und anderer Kleriker zurückzuführen, besonders aber auf den Kreuzzugsaufruf von Papst Urban II., der den hochgerüsteten Kämpfern im Jahr 1095 ein gemeinsames Ziel vorgibt und ihre schwärmerische Einsatzfreude kirchenpolitisch kanalisiert.
Aus dem Kampf gegen die Ungläubigen und die Befreiung des christlichen Jerusalems entsteht eine einzigartige Ritter-Kultur, in der wilde Kampfbereitschaft, christlicher Glaube und edle Verhaltensnormen eine faszinierende Verbindung eingehen. Kämpferischer Mut, Tapferkeit und aufopfernde Treue zählen ebenso viel wie Weltgewandtheit, Bildung, Sinn für Poesie und Musik - und nicht zuletzt die keusche, aber umso hingebungsvollere Frauenverehrung, die "Hohe Minne".
Dichtkunst und Liebeslyrik
Als kosmopolite Kreuzfahrer entwickeln die einstigen Retter des christlichen Abendlandes in der Begegnung mit der orientalischen Kultur einen neuen Lebensstil, einen ganz besonderen ritterlichen Kodex. Sie verpflichten sich zum karitativen Dienst an den Armen und Schwachen, pflegen ausgiebig Dichtkunst und Liebeslyrik, predigen Großmut und Großzügigkeit und organisieren sich bald in Kleinstaaten, die sie nach Vorbild der Mönche "Orden" nennen. In Jerusalem und Akkon, auf Malta und Rhodos, aber auch im hohen Nordosten Europas entstehen regelrechte Ritter-Reiche. Von hier aus erfährt das Abendland über fast zwei Jahrhunderte eine tiefgreifende, bis in die Gegenwart nachschwingende Prägung.
Wie aber konnte es geschehen, dass diese militärisch machtvolle Kultur-Elite plötzlich im 15. Jahrhundert so dramatisch an Bedeutung verlor? Dass ihr Niedergang so radikal und vollständig erfolgte, dass sie am Ende des Mittelalters nur noch für Spott-Geschichten taugte, wie etwa im berühmten Don-Quichote-Roman? Dass aus stolzen Vorbildern plötzlich Ritter von der traurigen Gestalt wurden?
Computersimulationen veranschaulichen die ausgefeilten Taktiken der großen Ritterschlachten. Uralte Notenschriften verraten die Wahrheit über die unwiderstehliche Wirkung des Minnesangs. Neueste Einblicke in die Medizinstuben mittelalterlicher Turnierärzte fördern verblüffende Erkenntnisse zutage und offenbaren uns die medizinischen Kenntnisse einer Kultur, die durch die Übernahme orientalischen Wissens einen gewaltigen Sprung nach vorne machte.
Der letzte Kampf der Ritter
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